Ein Fahrradtunnel macht noch keine Fahrradinfrastruktur

Seit drei Monaten ist er nun eröffnet, der neue Fahrradtunnel der Stadt Zürich. Dieser verbindet die Nord- und die Südseite des Hauptbahnhofs unterirdisch. Isoliert betrachtet natürlich ein grossartiges Projekt, gerade wenn man es im erweiterten Kontext betrachtet: Ursprünglich sollte der Tunnel Teil der Autobahninfrastruktur werden. Diese Pläne hat man über Bord geworfen. Ein Erfolg auf ganzer Linie?

Mitnichten. Der Fahrradtunnel ist ein Positivbeispiel unter ganz vielen Negativbeispielen. Zürich mit dem Fahrrad zu erfahren gleicht einem Spiessrutenlauf. Die Umsetzung der Fahrradvorzugsrouten verläuft schleppend, und wo sie bereits umgesetzt wurden, hat sich an der Ausgangssituation nicht viel geändert. Autostau gehört immer noch zum Alltag. Echte Radwege gibt es nicht. Um von der westlichen Agglomeration in die Stadt zu kommen, hat man die Wahl zwischen Pest und Cholera. Entweder man nimmt die viel befahrenen Hauptstrassen und muss sich gefährlich nah überholen lassen (darauf gehe ich bestimmt in einem nächsten Blogeintrag mal genauer ein) oder man nimmt den für Radfahrer freigegebenen, nicht geteerten Fussgängerweg der Limmat entlang, wo sich das Machtverhältnis einfach zu ungunsten der Fussgänger verschiebt. Ein durchgehendes Radwegenetz gibt es nicht, nicht mal ein durchgehendes Netz an Fahrradvorzugsrouten.

Dieser Mangel an vernünftiger Infrastruktur zeigt sich leider sofort, sobald man den Fahrradtunnel verlässt.

Nach 20 Metern gibt es dann plötzlich nur noch einen Radstreifen:

Und nach weiteren 20 Metern darf man sich die Strasse wieder mit den Autos teilen.

(Bonuspunkte gibt es übrigens für den weissen Skoda, der auf der Gegenfahrbahn gerade den Radstreifen blockiert 😉)

Alles in allem ist das Ganze natürlich ein Schritt in die richtige Richtung, aber 100m brauchbare Infrastruktur täuschen eben nicht über ein völlig misslungenes, autozentriertes Verkehrssystem in der ganzen Stadt hinweg. Mit 164 Schwerverletzten und 10 getöteten Personen sind die Unfallzahlen immer noch viel zu hoch und ich habe das Gefühl, dass der Stadt die Sicherheit der verwundbarsten Verkehrsteilnehmer schlicht und einfach nicht wichtig ist. Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel Helsinki, wo es dank flächendeckend Tempo 30 letztes Jahr keinen einzigen Verkehrstoten gegeben hat. Es gibt also keinen Mangel an Lösungen, es gibt nur einen Mangel an Bereitschaft sie umzusetzen.

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